OFFENER BRIEF - EKLATANTE AUSHEBELUNG DES NATUR- UND ARTENSCHUTZES FÜR WINDINDUSTRIEANLAGEN

Die Regionalverbände des Landes haben sogenannte Vorranggebiete für Windkraft ausgewiesen. Entscheidungsträger, vor allem aus den Kommunen, können diesen Gebietsplanungen nun zustimmen. Vielen Verantwortlichen ist jedoch nicht bewusst, dass künftig in genehmigten Vorranggebieten Windräder ohne weitere Umweltprüfungen gebaut werden dürfen. 

 

 

Wir weisen in unserem Offenen Brief explizit auf diese Gefahr für den Natur- und Artenschutz hin:

Offener Brief

Bürgerinitiative GEGENWIND – KRAFTGRUPPE Sulz – Dornhan – Vöhringen

Postfach: 1122, 72172 Sulz a. N., E-Mail: Gegenwind-Sulz at web.de

 

Offener Brief an

 

Verbandsvorsitzenden und Landrat Dr. Wolf Rüdiger Michel, Landratsamt Rottweil

Verbandsdirektor Marcel Herzberg, Regionalverband Schwarzwald-Baar-Heuberg

Landrat Sven Hinterseh, Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis

Landrat Stefan Bär, Landratsamt Tuttlingen

Bürgermeister Jens Keucher, Sulz am Neckar

Bürgermeister Markus Huber, Dornhan

Bürgermeister Stefan Hammer, Vöhringen

Gemeinderäte, Sulz am Neckar, Dornhan, Vöhringen

Pressevertreter

 

 

 

 

 

Genehmigungsverfahren in ausgewiesenen Windenergiegebieten

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

mit diesem Schreiben weisen wir Sie auf die aktuelle Gesetzeslage im Zusammenhang mit den Genehmigungsverfahren Windanlagen in „Go-to-Areas“ (ausgewiesene Windenergiegebiete bzw. Vorranggebiete) hin. Im Rahmen der Informationsveranstaltungen für Bürgermeister, Gemeinderäte und für die Bevölkerung wurde das beschleunigte Genehmigungsverfahren in diesen Gebieten nach unserer Auffassung nicht richtig dargestellt.

Das neue Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) der Bundesregierung sieht im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren nur noch in Natura 2000-Gebieten und in Naturschutzgebieten eine detaillierte naturschutzrechtliche Prüfung vor. Da die vom Regionalverband SBH geplanten Windenergiegebiete diese Vorgabe nicht erfüllen, gilt hier das Windenergieflächenbedarfsgesetz § 6 WindBG:

 

 

„(1) Wird die Errichtung und der Betrieb oder die Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer Windenergieanlage in einem zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung ausgewiesenen Windenergiegebiet nach § 2 Nummer 1 beantragt, ist im Genehmigungsverfahren abweichend von den Vorschriften des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung und abweichend von den Vorschriften des § 44 Absatz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes eine artenschutzrechtliche Prüfung nicht durchzuführen.“ Quelle:

https://www.gesetze-im-internet.de/windbg/BJNR135310022.html.

 

 

Diese Handlungsvorgabe an die Genehmigungsbehörden basierte auf Art. 6 der EU-Notfall-Verordnung, die den Mitgliedstaaten für Anlagen erneuerbarer Energien eine grundsätzliche Ausnahme von der Pflicht zur Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung ermöglicht. Die EU-Notfall-Verordnung wurde bis zum 30.06.2025 verlängert, um den Mitgliedstaaten Zeit einzuräumen, die bereits im EU-Parlament beschlossene und am 18.10.2023 im Amtsblatt veröffentlichte RED III-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Was die Bundesregierung mit dem Windflächenbeschleunigungsgesetz (WindBG) im Wesentlichen bereits vollzogen hat.

 

Auch sieht die EU-Richtlinie in „Go-to-Areas“ vor, dass ein Bauantrag zur Erstellung einer WKA innerhalb eines Jahres genehmigt werden muss, ansonsten gilt der Antrag automatisch als genehmigt. Hierauf können sich die Antragsteller berufen. Die Genehmigungsbehörde muss sich dieser Gesetzeslage beugen. Hier nachzulesen:

https://www.dnr.de/aktuelles-termine/aktuelles/eu-parlament-macht-weg-frei-fuer-neue-energieziele-europa

 

Die strategische Umweltprüfung bei der Regionalplanung basiert auf der naturfachkundlichen Einordnung der LUBW-Planungshilfe; diese wiederum lässt nachweislich wichtige naturschutzfachliche Gutachten außer Acht. Dies kann bei den Genehmigungsverfahren dann im Einzelfall nicht mehr richtiggestellt bzw. korrigiert werden, da eine detaillierte naturschutz- und artenschutzrechtliche Prüfung nicht mehr durchgeführt werden muss. Somit wird die Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes außerhalb besonderer Schutzgebieten nicht mehr gesichert und erhalten.

 

 

Bei den Informationsveranstaltungen des Regionalverbandes SBH wurde auf diesen Sachverhalt nicht hingewiesen. Es wurde immer betont, dass es eine detaillierte, vertiefte naturschutzrechtliche Prüfung im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren geben würde.

 

 

Bürgermeister und Gemeinderäte sind offenbar auch der Meinung, dass es eine detaillierte Prüfung im Genehmigungsverfahren geben wird. Jedenfalls wird in den Gemeinde- und Ortschaftsratssitzungen immer wieder darauf hingewiesen, dass die Ausweisung eines Vorranggebietes nicht heißt, dass auch tatsächlich Windanlagen gebaut würden und das jede Windanlage ein detailliertes immissionschutzrechtliches Genehmigungsverfahren zu durchlaufen hätte. Richtig ist jedoch: Sobald in einem Vorranggebiet ein Nutzungsvertrag zwischen einem Landbesitzer und dem Investor zustande gekommen ist, gilt die EU-Notverordnung im Zusammenhang mit dem WindBG und somit das beschleunigte Genehmigungsverfahren ohne Durchführung einer detaillierten naturschutz- und artenschutzrechtlichen Prüfung. Es ist dann auch nicht mehr möglich, die Errichtung einer Windanlage aufzuhalten, auch nicht durch die Gemeinde.

 

 

Wir machen Sie mit Nachdruck auf diese eklatante Aushebelung des Natur- und Artenschutzes und die damit verbundenen Gefahren, für unseren natürlichen Lebensraum aufmerksam. Es muss allen Entscheidungsträgern bewusst sein, dass Sie mit der Zustimmung zu den Vorranggebieten auch der Aushebelung aller Naturschutzrechte zustimmen. Nach unsere Auffassung widerspricht dies dem Grundgesetz. - Sie wurden gewählt, um die Verantwortung gegenüber den Menschen und der Natur im Sinne des § 20 a Grundgesetz und § 1 BundesNaturSchutzGesetz auszuüben und die Vielfalt, Lebensqualität und wirtschaftliche Leistungskraft der Region vorausschauend und nachhaltig weiterzuentwickeln.

 

 

In diesem Zusammenhang weisen wir Sie darauf hin, dass in Frankreich der Staatsrat die Genehmigungen für Windräder an Land und die Regeln für die Erneuerung von Windparks inzwischen für illegal erklärt hat. Damit hat der Staatsrat einer Klage des Umweltschutzdachverbandes „Fédération Environnement Durable“ (FED) stattgegeben. Die Menschen würden in unzumutbarer Weise vom Lärm der Windanlagen belästigt. Die FED hat dies als „historische Entscheidung“ gewürdigt und nennt sie „einen großen Sieg für den Schutz der Umwelt, die Gesundheit der Anwohner und die Einhaltung der Gesetze“. Hier nachzulesen:

https://weltwoche.de/daily/schluss-mit-windkraft-in-frankreich-es-gibt-keine-genehmigung-mehr-fuer-windraeder-der-gerichtsbeschluss-gilt-auch-rueckwirkend-fuer-bereits-bewilligte-projekte/

 

 

Wir bitten die Beteiligten, insbesondere die Vertreter des Regionalverbandes SBH sowie die Bürgermeister, bis zum 02.05.2024, um Prüfung der im Rahmen von Informationsveranstaltungen und Gemeinderatssitzungen gemachten Aussagen und um eine Stellungnahme.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Bürgerinitiative GEGENWIND – KRAFTGRUPPE

Sulz – Dornhan – Vöhringen

 

 

 

Im Auftrag der Bürgerinitiative

 

 

Sigrid Wahler                      Susanne Sailer